UNVERGESSEN

BIG-APPETIZERNEWS /  2022 / Author: Martin Fünkele

Der Tod von ADEMOLA OKULAJA hat die Basketballwelt kalt erwischt. Über einen Mann, der als Krieger bekannt wurde und der mit nur 46 Jahren ganz leise aus dem Leben schied

TEXT: MARTIN FÜNKELE

Das Bild, das wir von Ademola Okulaja haben, ist klar. Der Warrior, der bei der EM 2001 in Antalya einen 27-Punkte-Rückstand gegen Griechenland mit bloßem Willen wettmachte. Der Tar Heel, der an der Seite von Vince Carter und Antawn Jamison in North Carolina College-Geschichte schrieb. Der Kapitän der Nationalmannschaft (neun Jahre lang), der zusammen mit Dirk Nowitzki 2002 WM-Bronze gewann. Der Sportler eben, der seine Profikarriere 1994 in Berlin begann und sie 2009 in Bamberg beendete.

Dass Okulaja Krebs hatte, war auch kein Geheimnis. Erstmals öffentlich wurde die Krankheit, als der Berliner 2008 für die Olympischen Spiele absagen mussten, weil ihn vermeintliche Rückenprobleme außer Gefecht setzten. Der Tumor, der dafür verantwortlich war, steckte in seinen Knochen. Und ganz, wie es dem Bild des Warriors entspricht, bekämpfte Okulaja den Krebs und rang ihm zwischen 2010 und 2020 eine Karriere nach der Profilaufbahn ab. Hier endet das öffentliche Bild und hier beginnt diese Geschichte, die von einem erzählt, der unzählige Menschen berührte und am Ende von ganz wenigen begleitet wurde. Einer davon ist Franck Dupuis. Der Berliner hat mit Adi auf den Freiplätzen der Hauptstadt gezockt, Okulaja als Unternehmer beraten und mit Ademola Spaziergänge gemacht, als die Corona-Pandemie und die Umstände des Lebens den stolzen Krieger vom Rest der Basketball-Community isoliert hatten. „Viele haben in ihm nur den Basketballer gesehen, der von einem Team zum anderen gezogen ist. So richtig zu fassen bekommen hat ihn bei uns keiner“, sagt Dupuis. Wie groß Okulaja war, wurde Dupuis unmittelbar nach seinem Tod am 17. Mai 2022 klar. Direkt nachdem NBA-Superstar Vince Carter, mit dem Okulaja zusammen in North Carolina gespielt hatte, auf Twitter sein Beileid bekundet hatte, klingelte bei Dupuis das Telefon. Aus Italien, Afrika, den USA – von überall riefen die Freunde an. Einer davon war Makhtar N’Diaye, auch er ein Ex-Tar-Heel und heute Chefscout der New York Knicks. „Was mir all diese Leute klargemacht haben: Ademola war mehr als ein Athlet“, sagt Dupuis.

Er war Deutscher, Afrikaner, Sportler, Agent, Vater, Sohn, Bruder, Unternehmer, Freund – er war unheimlich beliebt. „Die Heiterkeit nach außen verbarg einen inneren Kern, der mit vielen Schutzschichten ummantelt war“, sagt Dupuis. Eine, die all diese Schichten durchdringen durfte, war Bintia Bangura. Auch sie ist Berlinerin, und auch sie kannte Okulaja aus der JFK-Sporthalle. „Wir haben auch später noch, also vor rund einem Jahr, öfter draußen auf dem Tempelhofer Feld und am Hangar gezockt“, erinnert sich die Frau, der Okulajas letzte Worte galten.Auf das erste Mal, als Okulaja auf den Freiplatz zurückkehrte, war er überhaupt nicht vorbereitet. Bangura spielte damals immer samstags auf einem Court in Kreuzberg, als der Ex-Profi in schicken Klamotten zum Zuschauen vorbeikam. „Ich spiel da jetzt mit“, sagte er, worauf Bangura erwiderte: „Bitte nicht! Guck mal, wie du aussiehst, bist viel zu schnieke angezogen!“ Okluaja war es egal, woraus sich eine Routine entwickelte, zu der die beiden in den folgenden Monaten auch alle fünf Kinder mitnahmen.

Damals ging es Okulaja schon wieder besser – zumindest mental. Denn als die beiden, die sich schon seit 30 Jahren kannten, schließlich zueinanderfanden, war Okulaja ein in sich gekehrter Mann. Die Krankheit, die schmutzige Scheidung von seiner Ex-Frau und dazu eine pflegebedürftige Mutter hatten ihn mürbe und müde gemacht. Das Haus in Zehlendorf verwaist und still – auf dem Sofa dieser große sanfte Riese mit Sohn Adenoah. „Das hat meinem Herzen einen Stich versetzt“, sagt Bangura. „Wir sind eingezogen, haben aufgeräumt, neu gestrichen, überall meine Pflanzen aufgestellt, Mucke aufgedreht und gemeinsam mit Kind und Kegel ein neues Kapitel begonnen.“

Die 43-Jährige, die Anfang der 2000er als Soulsängerin Karriere machte und mit Xavier Naidoo und Deichkind auf der Bühne stand, brachte die Beats zurück in Okulajas Leben. „Er hat einmal zu mir gesagt: ‚Immer wenn du das Haus verlässt, mache ich Musik an. Sonst ist die Stille so laut, das ist mir früher gar nicht aufgefallen.‘“ Bangura erzählt von Abenden, an denen sie im Wohnzimmer tanzten oder auf dem Berliner Kreuzberg Köfte aßen. Die Last, die sich auf die einst so starken Schultern des stolzen Kriegers gelegt hatte, wurde erträglicher.

„Dass mein Bruder an Bintias Seite erstmals aufrichtig, selbstlose und wahre Liebe erfuhr und er um ihre Hand anhielt, machte mich sehr glücklich. Ich freute mich sehr für ihn. Endlich hatte er eine würdige Kriegerin an seiner Seite“, sagt Adekola Okulaja. So fand sein Bruder noch einmal zurück ins Leben.